Der Wachmann, der sie zuvor angesprochen hatte, was sie denn mitten in der Nacht an dem Betriebsgelände zu suchen hätte,
wählte jetzt die Telefonnummer der Polizei. Er berichtete den Beamten von seinen Beobachtungen und bat sie, sich dem Fall anzunehmen.
Sie brach am
späten Abend auf, um wieder einmal einem Hinweis zu folgen. Wie immer, wenn sie ihre Ausflüge machte, stieg sie nicht in ein Auto ein, sondern legte ihren Weg zu Fuß zurück.
Wie viele Stunden sie unterwegs war, konnte sie später nicht mehr sagen. Die Autos fuhren an ihr vorbei und zeigten ihr die Richtung, in die sie laufen
sollte.
Fußgänger waren um diese Zeit nur wenige auf den Straßen, die Nacht war hell, sodass sie trotz der Dunkelheit alles gut sehen konnte. Am Gebäude
eines ortsansässigen Industriebetriebes blieb sie stehen und schaute sich nach einem Anhaltspunkt um, vor sich sah sie die Auffahrt zur Autobahn, zur anderen Seite lag die
Pförtnerei des Betriebes und hinter einer Absperrung befand sich ein großer Parkplatz.
Eine Weile wartete sie dort, dann näherte sich von hinten ein
dunkler Wagen, der Fahrer hatte die Beifahrertür geöffnet und fuhr langsam an ihr vorbei. Es war eindeutig eine Aufforderung an sie, einzusteigen und mit ihm weiterzufahren.
Doch ihr noch verbliebenes Misstrauen hielt sie von diesem Schritt ab, der Wagen entfernte sich sogleich, setzte seine Fahrt fort und fuhr auf die Autobahn auf.
Der Pförtner, der in dieser Nacht Dienst hatte, trat aus dem verglasten Gebäude und fragte sie nach dem Grund ihres Aufenthaltes vor dem Gelände um diese Zeit. Sie
sagte ihm nur, dass sie auf jemanden wartete, und er machte sie darauf aufmerksam, dass es nicht erlaubt war, das gesamte Betriebsgelände zu betreten. Dann machte er sich
wieder an seine Arbeit, ließ sie aber weiter unbehelligt an der Straße stehen.
Wieder wartete sie eine Weile, ob sie ihn oder einen seiner Leute zu
sehen bekam, aber nichts tat sich mehr. Plötzlich fiel ihr ein einzelnes, beleuchtetes Fahrzeug am Ende des großen, vor ihr liegenden Parkplatzes auf. Für kurze Zeit blieb es
in der Warteposition, die Absperrung zum Parkplatz ignorierend bewegte sie sich wie hypnotisiert auf den sich jetzt langsam nähernden Wagen zu. Hatte sie ihn endlich gefunden,
war ihr Albtraum nun zu Ende?
Ruckartig blieb der Wagen stehen, sie hielt etwa einen Meter vor dem Fahrzeug an und wartete in seinem Scheinwerferlicht
darauf, dass er ausstieg. Die Fahrertür öffnete sich und ein Mann in einer Weste mit der Aufschrift Security trat auf sie zu und sprach sie verärgert an. „Hallo, was machen
sie denn hier mitten in der Nacht, beinahe hätte ich sie angefahren. Haben sie die Schilder nicht gesehen, das Betreten des Parkplatzes ist verboten.“ In diesem Moment
erschien der Pförtner erneut und schlug einen scharfen Ton an, forderte sie auf, mit ihm in den Wachraum zu kommen, denn er müsse diesen Vorfall melden und ihn in sein
Wachbuch eintragen.
Die beiden Männer berieten sich kurz und fragten sie noch einmal, warum sie hier an der Auffahrt gestanden hatte. Während der Eine
sie skeptisch musterte und sie verdächtigte, sie würde hier ihrem Gewerbe als Prostituierte nachgehen, war der andere Wachmann ihr freundlicher gesonnen und bot ihr einen
Kaffee an.
Dann beschlossen sie, die Polizei zu benachrichtigen, die auch nach ca. 15 Minuten am Ort des Geschehens eintraf. Nach einem kurzen Verhör
rief einer der Beamten ihre Tochter an und schilderte ihr, in welchem Zustand man ihre Mutter hier vorgefunden hatte. Svenja musste sie Rede und Antwort stehen, denn sie
machte sich natürlich große Sorgen um sie.
Die Beamten nahmen alles zu Protokoll und ließen sie mit den Wachleuten allein. Der weniger freundliche der
Männer bestellte ein Taxi. 20 Minuten später wurde sie an ihrer Wohnung abgesetzt. Sie war körperlich unbeschadet von ihrer nächtlichen Reise zurückgekehrt und schwor sich ein
weiteres Mal, sich nicht mehr auf so gefährliche Abenteuer einzulassen. Außerdem hatte sie ihrer Tochter versprochen, nicht mehr in der Nacht draußen herum zu irren und sie am
Morgen gleich anzurufen.
Aufgedreht von den Ereignissen schrieb sie das Erlebte auf lose Blätter, hielt sie ihnen zum Lesen in die Kamera und schlief
erst in den frühen Morgenstunden ein.