Die Musik war es, die sie schließlich dazu brachte, nicht in ihrer eigenen Wohnung zu verhungern.
Sie führten nun einen erbitterten Kampf gegen sie. Mit lauten Geräuschen lockten sie sie ans Fenster, Autohupen sollten sie dazu bringen, dass sie wieder den Weg nach draußen
fand und ihre Runden drehte. Straßen wurden aufgerissen, Bauarbeiter und Gärtner vor ihrem Haus postiert.
Nachts ließen sie ihr keine Ruhe,
Flugzeuglärm, Autos und Menschen sorgten dafür, dass sie erst gar nicht einschlafen konnte. Es gelang ihr nur, wenn sie eine Pause einlegten oder sie mit dem Handy und
Ohrhörern die Geräusche mit Musik überspielte.
Der Kühlschrank war leer. Sehr viele Lebensmittel gab es darin eigentlich nie in den Wochen, die sie hier
verbrachte. Manchmal holte sie sich etwas aus der Pizzeria von Gegenüber, kochen für sie allein lohnte sich nicht. Jetzt lag der allerletzte Rest auf ihrem Teller, doch sie
wollte keinesfalls die Wohnung verlassen, bis er seine Leute abgezogen hatte. Es musste eine andere Möglichkeit geben. Ihre Forderung machte sie deutlich, indem sie ein Stück
Papier beschrieb, es in die Kamera hielt und es dann auf den zu einer beachtlichen Größe angewachsenen Blätterstapel legte.
Das Radio lief den ganzen
Tag und sie erhielt ununterbrochen Hinweise, was sie tun sollte. Es war sogar soweit gekommen, dass sich die Stimmen lustig machten über ihre Ausflüge. Sie ignorierte allen
Spott und wartete darauf, dass die Belagerung ein Ende nahm. Dann plötzlich trieb sie der Rhythmus der Musik aus der Wohnung hinunter auf die Straße. Es klang wie eine
Aufforderung, es ein letztes Mal zu probieren.
In der Dunkelheit und verwirrt von den vielen Menschen, die durcheinander liefen und alle eine andere
Richtung einschlugen, rannte sie auf den Parkplatz zu, der etwa 150 m entfernt lag. Wo war nur dieses verdammte Auto, das sie finden sollte? Sie brauchte nur einsteigen und
dann würde sie zu ihm gebracht. Ihr wurde schwindelig, alles um sie begann sich zu drehen. Panisch verließ sie den Parkplatz unverrichteter Dinge und bog in eine Nebenstraße,
um ihren Beobachter zu entkommen. Sollte ihre lange Suche doch noch erfolgreich sein? Hoffnung keimte in ihr auf, als sie von einer jungen Frau angesprochen wurde, an deren
Autotür sie sich zu schaffen gemacht hatte.
Die Frau schien ihre Lage erkannt zu haben. Auf die Frage, ob sie sich verirrt hätte, antwortete sie mit
einem ja, dann kamen sie überein, dass sie mit einem Taxi zu Jan fahren sollte. Jetzt ging ihr ein Licht auf! Die Frau führte ein kurzes Telefongespräch mit ihrem Bruder. So
lösten sie also jetzt das Problem, Jan war einer von ihnen und half ihr doch weiter. Mit ihrer Vermutung bei dem Blick auf seine Autonummer lag sie richtig, so eine konnte nur
jemand von ganz Oben haben, er durfte darüber sicher nicht reden.
Erleichtert und voll Freude über die positive Wende, setzte sie sich in das Taxi und
traf 20 Minuten später bei Jan und Henrike ein.