Mittlerweile war die Lage komplizierter geworden. Sie hatte die Nachricht erhalten, dass sie sich nur noch über Umwege und
Mittelsleute kontaktieren konnten. Somit trat Jan auf den Plan.
Der Bericht am Morgen über den Blutsbruder war sehr klar bei ihr angekommen. Nur ganz
knapp erreichte sie den Bus, um Jan noch abzufangen, bevor er mit Henrike zum Einkaufen aufbrach. Da sie sich mit den Busverbindungen noch nicht so gut auskannte, fuhr sie in
die falsche Richtung, dann nahm sie ein Taxi, damit sie noch pünktlich zum Zeitpunk des Anrufes da sein würde. Dieses Mal wollte sie nicht versagen, auf gar keinen Fall.
Jan öffnete die Tür. Wie vermutet, befanden sich er und Henrike schon im Aufbruch, darum durfte sie keine Zeit verlieren und kam gleich zum Grund ihres
frühen Erscheinens. Jan sah sie an, als wäre sie von einem anderen Planeten, nachdem sie ihm geschildert hatte, warum sie hergekommen war. „Ich habe ihm eure Telefonnummer
zukommen lassen, er wird gleich hier anrufen, bitte ihr müsst mir glauben." Ihre Geschichte schien sie jedoch überzeugt zu haben, denn Jan sagte nichts mehr, schaltete den
Computer an, gab ihr das schnurlose Telefon und warf Henriette einen seltsamen Blick zu. „Gut, dann fahren wir jetzt zum Baumarkt, dauert etwa eine Stunde, bis wir zurück
sind."
Diese eine Stunde fühlte sich an wie ein ganzer Tag. Zwischendurch versuchte sie weiter, eine Zahlenkombination zu erstellen, dieses Mal aus den
Wetterdaten und Lottozahlen, die sie von den Internetseiten abschrieb. Von den vielen Versuchen, wenn sie glaubte, dass sie am richtigen Treffpunkt war, gab es das eine oder
andere Mal eine Verbindung, doch niemals war es seine Stimme, die sie am anderen Ende der Leitung erwartete.
Um 11.00 Uhr trafen Jan und Henrike wieder
ein. „Es hat nicht geklappt", sagte sie traurig, „ wahrscheinlich ist er nicht durchgekommen." „Ja, wahrscheinlich“, erwiderte Jan nur. Dann verabschiedete sie sich, ohne ein
weiteres Wort über ihren erfolglosen Vormittag zu verlieren. Auf dem Weg zur Bushaltestelle warf sie noch einen kurzen Blick auf Jans Autonummer und ein vager Verdacht machte
sich in ihrem Kopf breit.